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European Climate Pact

Together for 1.5°C - Carsten Herbes

Angesichts der nicht nachlassenden Dringlichkeit, dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, ist es wichtiger denn je, junge Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren. Carsten Herbes, Botschafter des Europäischen Klimapakts und Professor aus Deutschland, ermutigt junge Menschen, sich in die internationalen Klimaverhandlungen direkt einzubringen. 

Meine Welt: Mit Geschäftssinn für erneuerbare Energien 

Für Herbes, derzeit Direktor des Instituts für Internationale Forschung für Nachhaltiges Management und Erneuerbare Energien an der Universität Nürtingen-Geislingen, ist es entscheidend, junge Menschen in den Mittelpunkt des Entscheidungsprozesses zu stellen, um zukünftige Handlungsträger und politische Entscheidungsträger vorzubereiten, die sich mit komplexen Klimaproblemen auseinandersetzen. 

Entscheidend ist, ihnen dabei zu helfen, die Rolle der Konferenz der Vertragsparteien (COP) der Vereinten Nationen zu verstehen. Die Konferenz ist das wichtigste internationale Forum, um Vereinbarungen zu globalen Klimafragen zu treffen. Sie tritt jedes Jahr zusammen, um den Fortschritt des Klimaschutzes zu überwachen und über weitere Reduzierungen der Treibhausgasemissionen zu verhandeln. Die EU ist bei diesen Verhandlungen zentrale Akteurin, da sie die Interessen von fast 450 Millionen Bürgerinnen und Bürger vertritt. Herbes ist der Ansicht, dass es für die nächste Generation globaler Bürgerinnen und Bürger von entscheidender Bedeutung ist, sich damit vertraut zu machen, wie diese Verhandlungen ablaufen. Vor diesem Hintergrund führt er simulierte internationale Klimaverhandlungen durch, um den Studierenden einen Einblick in diesen Prozess zu geben und den Zusammenhang zwischen internationaler Zusammenarbeit und individuellem Handeln zu unterstreichen. 

Sein Handlungsfokus lag jedoch nicht immer schon auf dem Klima. „Früher habe ich als Unternehmensberater gearbeitet und bin jede Woche mit dem Flugzeug zu Kunden geflogen“, sagt er. „Ich bin montags hingeflogen und freitags zurückgeflogen. Das war verrückt.“ Als er die Beratung verließ, um für ein Unternehmen zu arbeiten, das Bioenergieerzeugt – erneuerbare Energie aus Biomasse (organisches Material, das von Pflanzen und Tieren stammt) – entwickelte er ein tieferes Verständnis für die Zusammenhänge zwischen erneuerbarer Energie und der Bekämpfung des Klimawandels.

Mein Handeln: Jungen Menschen helfen, sich in die Lage anderer zu versetzen

Nach seinem Wechsel für eine Lehrtätigkeit an einer Universität wollte Herbes seine Berufung als Pädagoge mit seinem neuen Verständnis des Klimawandels kombinieren und jungen Menschen zeigen, was wirklich auf dem Spiel steht, wenn es um die Aushandlung von Lösungen für die Klimakrise geht. Er begann mit der Organisation von Simulationen, bei denen etwa 50 „Delegierte“, bestehend aus Abiturient/-innen oder Studienanfänger/-innen, in die Rolle von Verhandlungsführern für das Klima schlüpfen, damit sie deren Bedürfnisse und Perspektiven besser nachvollziehen können.

In Gruppen unterteilt und einer Region oder einem Land zugeordnet – wie der EU, den USA, Indien oder Subsahara-Afrika – erhalten die „Delegierten“ Hintergrundinformationen zur Klimasituation in ihrer jeweiligen Region. Die Unterschiede bei den Budgets und Ressourcen zwischen den Ländern werden den Studierenden auf sehr einfache Weise vermittelt: Diejenigen, die die Rolle der reicheren Länder spielen, durften während der gesamten Versammlung sitzen und wurden verpflegt, während die Vertreter/-innen der weniger wohlhabenden Regionen auf dem Boden sitzen mussten. Auch wenn dies in realen Verhandlungen natürlich nicht vorkommt, macht es den Studenten bewusst, dass einige Regionen der Welt von Beginn an einen erheblichen Nachteil haben.     

Die Simulation soll Studierende dazu anregen, politisch und strategisch zu denken und zu versuchen, einen Konsens zu finden. So verfolgen beispielsweise Länder, die hohe Treibhausgasemissionen verursachen, häufig ganz andere Prioritäten als niedrig liegende Inselstaaten wie die Malediven, die vom steigenden Meeresspiegel bedroht sind. Herbes ist der Ansicht, dass es in zukünftigen Diskussionen hilfreich sein wird, der nächsten Generation ein Verständnis für andere Standpunkte zu vermitteln.

„Die ausgehandelten Verpflichtungen fließen dann in ein Softwareprogramm ein, das berechnet, wie stark sie den Kampf gegen den Klimawandel beeinflussen werden“, erklärt Herbes. „Die Studierenden können die Auswirkungen dieser Entscheidungen sehen. So werden beispielsweise die Folgen des Meeresspiegelanstiegs für Städte wie London und New York visuell dargestellt, um die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels sowie den Handlungs- und Empathiebedarf zu verdeutlichen.“ 

In ähnlicher Weise organisiert Herbes auch eine Summer School: Sustainable Energy Futures – ein zweiwöchiges Programm, das japanische Studierende zu deutschen Studierenden nach Nürtingen bringt. In multikulturellen Gruppen analysieren sie die Marketingstrategien von Unternehmen, die erneuerbare Energien an Verbraucher verkaufen, um herauszufinden, was die Menschen dazu motiviert, zu einem grünen Energieversorger zu wechseln – ein praktischer Schritt, den Menschen unternehmen können, um einen nachhaltigeren Lebensstil zu führen. Sie untersuchen auch die unterschiedlichen Ansätze japanischer und deutscher Energieunternehmen, die sich als „ökologisch“ positionieren. 

Ein wichtiges Ziel seiner Summer School ist es, Klimaschutzmaßnahmen sowohl in Europa als auch darüber hinaus anzuregen und einen internationalen Dialog über den Klimawandel anzukurbeln. In diesem wiederum geht es um Empathie und Verständnis, denen für einen erfolgreichen Verlauf der COP27-Konferenz in Kairo (Ägypten) im November 2022 entscheidende Bedeutung zukommt. 

Unser Planet: Bildung als Schlüssel zur Bewältigung der Klimaherausforderungen 

Hunderte Studierende haben in den vergangenen Jahren an Herbes' Simulationen von Klimaverhandlungen teilgenommen. Seine Summer School 2022 war komplett ausgebucht. Er sieht im Europäischen Klimapakt eine großartige Gelegenheit, seine Techniken für Klimaverhandlungen an andere Pädagoginnen und Pädagogen weiterzugeben. Dazu gehört auch die Weitergabe der von ihm verwendeten kostenlosen Rollenspiel-Software für Klimaverhandlungen (C-ROADS), die von der NRO Climate Interactive entwickelt wurde.

Nach jeder Sitzung ermutigt Herbes die Studierenden ebenfalls darüber nachzudenken, was sie tun können, um als Einzelperson etwas zu bewirken, z. B. seltener per Flugzeug zu reisen, auf erneuerbare Energien umzusteigen oder ihren Fleischkonsum zu reduzieren. Dies soll unterstreichen, dass wir alle – von internationalen politischen Entscheidungsträgern bis hin zu einzelnen Bürgerinnen und Bürgern – im Hinblick auf den Klimawandel in der Verantwortung stehen zu handeln, und dass zwischen der Entscheidungsfindung auf hoher Ebene und wirksamen Maßnahmen, die vor Ort ergriffen werden können, ein Zusammenhang besteht. „Ein Ziel ist es, dass meine Studierenden das, was sie gerade gemacht haben, in ihren Alltag mitnehmen“, erklärt Herbes. 

Genau dieses individuelle Handeln wird vom Europäischen Klimapakt gefördert. Herbes sieht den Pakt auch als ideale Plattform, um politische und kulturelle Unterschiede zu überbrücken, indem Aktivisten, Wissenschaftler sowie Bürgerinnen und Bürger aus verschiedenen Ländern zusammengebracht werden. „Ich würde gerne Simulationen mit Unternehmen und anderen Organisationen durchführen“, sagt Herbes. „Hier könnte der Klimapakt wirklich helfen, um Gruppen interessierter Personen zu finden und mit ihnen in Kontakt zu treten.“

Bildung kann eine entscheidende Rolle bei der Auseinandersetzung mit dem Problem des Klimawandels spielen, indem sie den Menschen das Wissen, die Fähigkeiten, Werte und Einstellungen vermittelt, die sie für die Bewältigung des Problems benötigen und sie in die Lage versetzt, fundierte Entscheidungen zu treffen. In diesem Sinne liefert die Empfehlung des Europäischen Ratesvom Juni 2022 den EU-Ländern Ideen für die Entwicklung von Lernen und Lehren, die den Übergang zu einer grünen Wirtschaft und einer nachhaltigen Entwicklung unterstützen – und dies in allen Phasen der allgemeinen und beruflichen Bildung. Indem er sich für simulierte globale Klimaverhandlungen einsetzt, trägt Herbes zu diesem Ziel bei. „Ich möchte, dass meine Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer Geschäftsmöglichkeiten sehen und erkennen, dass die Bekämpfung des Klimawandels keine lästige Verpflichtung ist, sondern vielmehr etwas, das sie mit den richtigen Fähigkeiten als Beruf ausüben können. Das wäre wirklich toll“, so Herbes.